Sonntag, 29. März 2009

Home sweet home

Ich fahre so gerne weg. Entdecke ein winzigkleines Stück von dieser riesigen Welt, lerne neue Menschen kennen, neue Kulturen, neue Gedanken, neue Bräuche. Neue Temperaturen. ;) Ich beobachte, frage, lerne und verstehe natürlich nur Bruchteile von dem, was ich sehe. Aber es macht einen Riesenspaß. Und wisst ihr, was das tollste an diesen Reisen ist? Das Nachhausekommen. Ich bin so gerne in Frankfurt, ich bin so glücklich mit meiner Familie, meinen Freunden, meinem Job, meinem Zuhause und zb auch meinem Chor, dass ich einfach total gerne wieder heimkomme. Und es liegt auch an der Stadt.

Je mehr ich von der Welt sehe, desto dankbarer bin ich zudem für das Leben, was ich in Deutschland haben darf. Es ist wirklich ein großes Glück, hier geboren worden zu sein. Ich denke, jeder meistert sein Leben überall auf der Welt, und wäre ich in Indien als Tochter von Bettlern, Obdachlosen, Slumbewohnern, Hosenbüglern, Teeverkäufern oder von mir aus Bauern und Obstverkäufern geboren worden, hätte wohl ich keine Schul- geschweige denn Universitätsbildung erhalten, würde vielleicht gerade mal lesen und schreiben können, wäre superdünn und würde ganz schön zu kämpfen haben, um mich und meine Familie satt zu bekommen. Aber ich wäre sicherlich auch glücklich - zumindest war das mein Eindruck in Indien und auch in China. Dass Glück auch in den ärmsten Häusern empfunden wird. Dort scheint niemand total verzweifelt ob seiner Lage zu sein und mit dem Schicksal oder Gott deshalb zu hadern. Es ist eine faszinierende Lebenseinstellung, die sicherlich auch mit Religion zu tun hat. Was ich sagen will: Wäre ich in Indien geboren, würde ich das Leben dort so kennen und nichts anderes, könnte ich dort auch glücklich sein. So komme ich aber nur als Beobachter und darf nach ein paar Wochen wieder zu unseren sauberen, hupfreien Straßen zurück, zu den grünen Parks, zur guten Luft (oh ja, in Frankfurt, glaubt mir, ich meine es so!), zu Wäldern, zu gefahrlosen Eiswürfeln und Fruchtsäften, zur Verfügbarkeit sämtlicher denkbarerer Waren, zu einem funktionierenden, meist zuverlässigen Öffentlichen Verkehrssystem, zu Straßen, an deren Rändern eher selten pinkelnde Männer zu sehen sind, zu Bürgersteigen, auf denen man laufen UND gleichzeitig die Leute oder Schaufenster beobachten kann (weil keine unverhofften Abgründe oder Löcher drohen), zu Büchern, Filmen, Musik, Theater, Konzerten, Spieleabenden, Sing-Events (Chiquitita.....) und so weiter. Und dafür bin ich wirklich dankbar.

Dienstag, 24. März 2009

Der Strand von Puri

w-puri-strand
Nach den nicht vorhandenen, najagut, nicht gesehenen sensationellen Bergen um Darjeeling hatte ich sehr geringe Erwartungen an den Strand von Puri. Auch der Reiseführer ergoss sich nicht gerade in Begeisterungsstürmen. Aber als wir ankamen, fand ich ihn doch recht attraktiv. Eigentlich, bis auf den fehlenden Schatten, ein perfekter Strand: sehr, sehr viel feinkörniger Sand, auch im Meer reiner Sandboden, keine Steinen, keine Algen, keine Quallen, keine anderen Monster. Bis auf viele, viele Krabben, die sich aber brav verdrückt haben, wenn man in ihre Nähe kam. Das Meer wirklich sauber, der Strand auch relativ sauber. Tolle hohe Wellen, also so hohe, dass mein Kopf im knietiefen Wasser auch mal nasswerden konnte. Also, ich fluche ja immer auf son Ballermannscheiß und diese ganzen schrecklich touristisch erschlossenen strände. Ab jetzt weiß ich es aber auch zu schätzen. In Puri nämlich vermietet niemand Sonnenschirme und -stühle - das wäre echt perfekt gewesen. Es kommt auch niemand mit Cocktails und Eiscreme vorbei (wenn man von echten Kokosnüssen bzw. deren in selbiger dargereichten Saft und selbst gefrorenem, bunt gefärbtem Wassereis mal absieht). Schatten kann man dann aber doch kaufen, und zwar in Form von einer Plastikplane, die kunstvoll mit vier Pfählen, vier Seilen und vier Pflöcken gespannt wird. Aber der gute Mann will natürlich, sich der Marktlage und der quälend-heißen Sonne bewusst, ein Heidengeld dafür haben. 100 Rupien für ein paar Stunden. Das sind zwar nur 1,60 Euro, aber wenn ich weiß, dass ich dafür 20 Toast mit Rührei oder 25 kleine Teebecher oder vier Salatteller bekomme, finde ich das echt viel Geld. Zumal die Massage, die uns auch mehrmals täglich angeboten wird, 150 Euro für eine Stunde kostet. Und der Mensch tut wirklich was für sein Geld. Am Strand in sengender Sonne 60 Minuten lang jemanden durchzukneten kostet sicher richtig viel Kraft und Schweiß. Nach sehr zähen Verhandlungen konnten wir den Schattenverkäufer auf 50 Rupien runterdrücken - aber dann kam er auch nach drei Stunden und wollte seinen Schatten wiederhaben. Nicht, dass er die Plane gebraucht hätte, die Nutzungszeit war einfach abgelaufen. Pah!

Auch ansonsten wird man sehr oft angesprochen, was den Strandaufenthalt nicht zu einem erholsamen Event in unserer Definition werden lässt. Ob wir Schmuck kaufen wollen? Eine Massage? Eine Kokosnuss? Bananen? Selbstgemachtes Eis? Warmes Essen? Ob wir einfach so mal ein paar Rupien locker machen können? Aus welchem Land wir kämen? Ob wir Zeit für ein Interview bzgl. interkultureller Studien hätten? Kamelreiten gefällig? Mehr fällt mir gerade nicht ein. Aber all dies mehrmals am Tag. Das kann nerven, ich sag es euch. Und natürlich geben die guten Leute auch nicht beim ersten Nein auf, sondern man muss seinem Unwillen mehrmals Ausdruck verleihen. Ein zweiter Punkt, der den Meergenuss trübt, sind die indischen Sitten. Wenige können schwimmen, das heißt NIEMAND wagt sich weiter vor als ca. zehn Meter ins Meer hinaus. Hinzu kommt in Puri noch die extrem starke Strömung, die einem wirklich leicht den Boden unter den Füßen wegreißen kann. Insofern ist hier also ein Plantschen und Wellenspringen in sehr naher Ufernähe angesagt. Zum zweiten die Kleidung. Die indischen Frauen gehen ALLE mit kompletten Kleidern ins Wasser. Ob das die Saris sind, die aus fünf Metern Stoff bestehen oder die Dreiteiler. Nichtmal das Tuch davon lassen sie weg, sie gehen in kompletter Montur ins Wasser. Ich weiß gar nicht, was sie danach machen. Gehen sie dann triefend ins Hotel und tropfen dort alles voll? Warten sie so lange in der Sonne, bis sie so halbwegs trocken sind? Keine Ahnung. Die Männer gehen auch fast alle mit halblanger Hose und T-shirt ins Wasser, wir haben nur zwei oder drei Männer insgesamt gesehen, die in Badehosen plantschten. Da kommt man sich in seinem eigentlich braven Badeanzug auf einmal schon recht nackt und unzüchtig vor. Aber ich will nicht meine kompletten Kleider versalzen.

Ansonsten haben wir in Puri die Backpacker-Annehmlichkeiten genossen, die solche Orte, die viele Rucksack-Touristen und Hippies wie uns :) anziehen, mit sich bringen: Morgens Bananen-Schoko-Pancakes, Omlettes, Kaffee, Obst mit Joghurt, Müsli und so weiter. Abends haben wir ein paar Mal das angepriesene SeaFood probiert, aber hatten irgendwie kein Glück und der Fisch hat nicht so berauschend geschmeckt.

Aber selbst in Puri sollte man nicht nur am Strand oder in Cafes rumhängen und Urlaub machen. Schließlich ist im 30 km entfernten Konark der zum Unesco-Weltkulturerbe ernannte Sonnentempel. Dort haben wir uns einen staatlichen Führer geleistet, der uns viel über den Tempel erzählte. Hier ein Auszug aus Wikipedia:
"Die Tempelanlage wurde Mitte des 13. Jahrhunderts unter König Narasimha Deva (1238–1264) gebaut. Der Bau wurde als symbolisches Gespann (Ratha) des Sonnengottes Surya mit sieben Pferden errichtet. Von Surya ist auf der Rückseite noch ein Standbild aus grünem Granit erhalten. An der hohen Sockelzone des Tempels befinden sich 24 große, aus dem Stein gemeißelte Wagenräder, Reste der Zugpferde und eine enorme Vielzahl von detailreichen kleineren Darstellungen. Viele davon stellen Menschen bei sexuellen Handlungen dar."
Der Führer hat uns einiges berichtet über die Entstehungsgeschichte, über Architektur, Tänze und Sex im allgemeinen und im religiösen Kontext. Leider hatten wir beide Probleme, seine Aussprache zu verstehen, insofern ist nicht soooo viel hängen geblieben. Aber ein paar Fotos für euch haben wir natürlich.
w-konkark

Freitag, 20. März 2009

Spaziergang in Kolkata - Filmchen

Bei einem Botschaftsempfang in Kolkata habe ich die hier schon länger wohnenden Deutschen gefragt, was ihnen am meisten fehlt. Einer meinte, ein ganz normaler Waldspaziergang - woraufhin eine deutsche Ehefrau zustimmte und sagte: "Ja, hier in Kolkata kann man ja nicht spazieren gehen. Wenn man es tut, läuft man durch die Küchen, Bäder und Wohnzimmer der Menschen." Das trifft es ziemlich genau.

An dem Tag, den wir auf der Fahrt von Kalimpong im Norden zum südlich gelegenen Puri wieder in Kolkata verbrachten, habe ich ein paar kurze Filme von den engeren Straßen hier - aus dem Taxi heraus - gedreht, damit ihr seht, wie sehr das stimmt.
w-spaziergang

Donnerstag, 19. März 2009

Broterwerb in Indien

Es gibt in Indien wohl einen Großteil der Berufe, die auch in Deutschland gang und gäbe sind. Aber mir sind hier einige neue oder für uns unübliche Arten ins Auge gesprungen, wie man zu Geld kommen kann. Ich habe diese nicht danach unterteilt, wie reich man mit den verschiedenen Jobs jeweils werden kann (zumal das auch sehr vom persönlichen Einsatz, von Glück, vom Startkapital und natürlich vom Karma des einzelnen abhängt), sondern nur danach, wie schwer - körperlich oder auch mental - ich diese Art des Broterwerbs halte. Sicherlich machen manche der hier dargestellten Arbeitnehmer mehrere Jobs parallel.

Extrem hart
Rikscha-Fahrer
"Ich bin viel stärker, als ich aussehe - das muss ich als erstes sagen. Mit meiner Fahrrad-Rikscha geht es mir vergleichsweise echt gut. In Kolkata gibt es noch viele Kollegen, die sich selbst vor den Wagen spannen und die Leute durch die Gegend transportieren. Das ist noch härter, denke ich. Meine Fahrrad-Rikscha ist alt und klapprig, aber sie tut ihre Arbeit. In der Hitze ist mein Job natürlich noch anstrengender, aber ich bin mein eigener Chef und komme ganz gut zurecht. Die Menschen scheinen nicht genau zu wissen, wie sie uns einordnen sollen. Einerseits gehören wir schon zu den sehr Armen hier und wer unsere Dienste in Anspruch nimmt, trägt zu unserer Versorgung bei. Andererseits gibt es bei vielen Leuten eine Hemmschwelle, sich von der Körperkraft eines anderen Menschen transportieren lassen sollen."

Müll-Sortierer
Die Müll-Entsorgung in Indien befindet sich noch in den Kinderschuhen und ist nur an sehr wenigen Orten und nur sehr rudimentär institutionalisiert. Es gibt wenige Müllabfuhren, wenige Abfalleimer, wenig Personal für diesen Bereich. Deshalb ist das, was an Recycling passiert, von Privatleuten durchgeführt. Das sind die Ärmsten der Armen, die den Müll durchwühlen nach Rohstoffen wie Cola-Dosen oder Plastikflaschen, die sich weiter verkaufen lassen.

Mittelschwer
Bügler
"Ich stehe am Straßenrand, habe ein heißes Eisen, das ich auf dem Kohlefeuer neben mir immer wieder erhitze und bügel alles, was mir die Leute so vorbeibringen. Dabei muss ich aufpassen, dass die Kleider nicht wieder dreckig werden, was bei unseren Straßen hier manchmal gar nicht so einfach ist. Reich werde ich damit nicht, ich kann ja immer nur ein paar Rupien pro Kleidungsstück verlangen, aber es ist ein geruhsamer Job, mit dem ich über die Runden komme."

Tee-Mann (Chai-Wallah)
"Manchmal bin ich fest angestellt bei Firmen. Jede Firma ab drei Angestellten sollte einen Chai-Wallah haben. Wer sollte denn sonst vor- und nachmittags den Tee zubereiten und vorbeibringen? Wenn ich bei einer Firma arbeite, erledige ich in der freien Zeit auch noch leichte Hausmeister-Tätigkeiten. Es gibt auch freischaffende Chai-Wallahs. Sie laufen herum mit einer fertigen Kanne heißen, süßen Milchtees und verkaufen den für ein paar Rupien in kleinen Plastikbechern. Chai-Wallah-Unternehmer haben ihren eigenen Tee-Wagen mit einem Sortiment an Keksen und kochen die Milch für fast jeden Kunden frisch und heiß auf und mischen den Tee dann zusammen. Darauf muss der Kunden dann aber auch ein paar Minuten warten."

Laden-Besitzer
Für jeden Laden-Besitzer - von der Frau am Strand, die Hand-Henna-Bemalung verkauft bis hin zum Kleidergeschäft - ist das erste Geschäft des Tages das wichtigste. Denn wenn das gut war, wird es auch der Rest des Tages. Als wir in einer Ladengalerie morgens ganz früh einkaufen waren, ist noch ein Priester rumgegangen und hat alle Geschäfte und ihre Inhaber gesegnet, entweder mit etwas heiligem Rauch oder mit dem Punkt auf der Stirn.

Essens-Lieferant
"Wer isst am Arbeitsplatz nicht gerne selbstgekochtes? Aber dafür müsste die Ehefrau ja morgens um vier aufstehen und mit Kochen anfangen. Da das unpraktisch wäre, gibt es uns. Wir holen bei den Hausfrauen gegen 11 Uhr das Essen ab und liefern es dann dorthin, wo der Gatte arbeitet. Das ist oft quer durch die Stadt. Wir sind nach Gebieten aufgeteilt, aber es ist dennoch immer eine Herausforderung, dass jeder auch wirklich das eigene Gericht vorgesetzt bekommt. Die Hausfrauen füllen uns das Gekochte ich Metall-Dosen, die gestapelt zusammengeklemmt werden. Eine Dose mit Daal, eine mit ein paar Chapati, eine große mit Reis, eine mit einem Fleisch- oder Fischgericht und eine mit einem Gemüsegericht. Das ist so der Standard."

Jeep-Fahrer in Sikkim
"Ich kann erst losfahren, wenn 11 Fahrgäste im Wagen sitzen. Drei davon sitzen direkt neben mir auf der Vorderbank, der eine muss mich umarmen, damit wir alle vier dahin passen. Bei dem anderen zwischen den Beine kuppele ich. Meistens fahre ich für Jeep-Vereinigungen, wo es einen Schalter gibt, an dem die Fahrgäste ihr Ticket und ihren Sitzplatz buchen und bezahlen. Das ist natürlich praktisch, weil ich mich dann selbst nicht darum kümmern muss, dass das Auto voll wird. Aber dafür geht auch ein nicht unerheblicher Teil des Fahrpreises an die Organisation. Insofern muss ich recht schnell und halsbrecherisch fahren, um die Strecke etwa zwischen Kalimpong und Siliguri, die die anderen vielleicht nur dreimal am Tag fahren, viermal zu schaffen. Das sieht aber immer gefährlicher aus, als es ist."

Kioskbesitzer
"Mein Laden ist mein ganzer Stolz. Ich habe ein Sortiment, das sich nicht groß von dem meines Nachbarn unterscheidet: Diverse Kekse und Chips, kalte Getränke, Shampoos, manchmal Zigaretten und natürlich Süßigkeiten. Der Laden selbst ist klein und manchmal auf Rädern. Auf jeden Fall muss ich da den ganzen Tag im Schneidersitz drin sitzen, weil für einen Stuhl weder die Tiefe noch die Höhe vorhanden ist. Wenn es ein fester Stand am Straßenrand ist, wohne und schlafe ich darin meist auch. Soviel Platz brauche ich ja nicht."

Bedienung im Café oder Restaurant
"Ach, wieso soll ich mir denn die Mühe machen und die Bestellung selbst aufschreiben? Das kann der Kunde doch genauso gut. Auch vorher zu sagen, was wir gerade nicht haben, mache ich meistens nicht, am Ende vergraule ich die Gäste noch, bevor sie sich überhaupt hingesetzt haben. Naja, vielleicht ist es manchmal nicht so geschickt, wenn ich zB als Kellner der Kaffee-und-Kuchen-Kette Coffee Day erst nach zehn Minuten erzähle, dass die Kaffeemaschine heute nicht funktioniert. Oder wenn ich als Restaurant-Kellner die Gäste erst ewig die ausführliche Karte studieren lasse, bis ihnen so richtig das Wasser im Mund zusammen gelaufen ist, um ihnen dann erst zu eröffnen, dass wir übrigens gar kein Hühnchen haben. Und der Tandoori-Ofen bleibt heute auch kalt. Es bleiben also Linsen-, Gemüse- und Fischgerichte. Aber das ist ja nicht immer so. Meistens gibt es ja fast alles, was auf der Karte steht. Mit dem Bedienen kann ich mir auch Zeit lassen. So ein Getränk kann schonmal zehn Minuten brauchen, bis es gefunden, geöffnet und serviert ist. Gut Ding will Weile haben. Dies gilt natürlich umso mehr fürs Essen. Als ich in Puri gearbeitet habe, war es für alle Gäste in allen Restaurants völlig normal, mindestens eine Stunde auf ihre Bestellung zu warten - unabhängig davon, ob es ein Obst-Joghurt oder ein Hühnchen-Curry war."

Ampel-Händler
"Mein Job ist ziemlich mühsam. Ich stehe an Ampeln und warte darauf, dass sie rot werden. Dann düse ich zwischen den Autos umher und versuche, meine Produkte an den Mann zu bringen. Handtücher, Seifen, Kaugummis, Zeitungen, Luftballons, Bälle, anderes Plastik-Spielzeug usw - eben alles, was leicht ist und attraktiv-bunt leuchtet. Richtig viele Kunden finde ich aber nie, die meisten winken ab, wenn sie mich sehen. Da muss ich schon Glück haben und die Augen eines Kindes so zum Leuchten bringen, dass die Eltern nicht anders können. Oder gerade genau das Shampoo oder den Kaugummi anbieten, auf den die Taxifahrer an dem Tag abfahren."

Taxifahrer
"Ich muss Auto fahren können und die Stadt etwas kennen. Auch wenn ich nicht genau weiß, wo ich hinmuss, irgendjemand wird es mir schon erklären. Englisch ist nicht notwendig, wer meine Sprachen nicht spricht, hat halt Pech gehabt. Mit diesen Leuten kann ich dann auch die ein oder andere Runde drehen, ohne dass sie es sofort merken. Wechselgeld habe ich grundsätzlich nicht - wer freut sich nicht über ein unerwartet hohes Trinkgeld?!"

Easy Going
Chauffeur mit eigenem Auto
"Ich fahre die Touris auf den Tigerhill bei Darjeeling, vielleicht so zwei- oder dreimal die Woche. Die zahlen dafür 700 Rupien (gute 10 Euro). Sicher, dafür muss ich früh aufstehen, die meisten wollen so gegen 4.30 Uhr losfahren. Aber ich fahr die in ner knappen halben Stunde hoch, warte dann gemütlich im Auto, bis die Sonne aufgegangen ist, die Touris ihre Bilder gemacht haben und halb erfroren wieder ins Auto gekrochen kommen. Da ich eine der älteren Damen, die auf dem Berg heißen Kaffee und Tee verkaufen, im gleichen Autos wie die Touris für umme mit hochgenommen habe, bin ich zumindest mit kostenlosen Heißgetränken versorgt. Gegen 7 oder spätestens 8 Uhr morgens bin ich wieder daheim."

Hotelbesitzer
"Mein Hotel hat 15 Zimmer, die ich für ca. 700 Rupien (12 Euro) pro Nacht vermiete. Wenn die Mieter wechseln, macht mein Personal (das ich für Kost+Logis sowie ein paar hundert Rupien im Monat beschäftige) den Raum sauber. Bei der Ankunft lasse ich die Hotelgäste die Anmeldungbogen selbst ausfüllen und unterschreibe nur. Wenn die Gäste was zu essen bestellen, sollen die das ebenfalls selbst auf den Bestellzettel schreiben. Wenn sie abreisen, machen wir die Abrechnung zusammen, was immer recht lange dauert. Vorbereiten ist nicht so meine Stärke und wir haben ja alle Zeit. Den Rest des Tages sitze ich im Empfangsbereich, schwätze mit meinen Freunden und genieße den Müßiggang. Klar, das Hotel könnte mal wieder eine Renovierung vertragen. Es gibt viele Stellen, die man schöner machen könnte, ausbessern oder verzieren oder so. Dann könnte ich vielleicht auch einen höheren Preis dafür verlangen. Ja, vielleicht mache das irgendwann mal. Hat ja auch keine Eile."

Anmerkung: Ihr werdet es euch gedacht haben, das sind natürlich keine O-Töne, sondern meine Worte, die ich den Leuten frecherweise in den Mund gelegt habe. Was ich beschreibe, sind einzig meine Beobachtungen, die natürlich falsch oder Einzelfälle sein können.

Ein guter Begleiter, Logbucheintrag 1. Offizier Daniel P.

Gemeint ist hiermit nicht nur meine Frau, ohne die ich erst gar nicht nach Indien gefahren wäre, sondern über Daniela und den Lonely Planet Reiseführer hinaus auch noch ein zweites und äußerst lesenswertes Buch, das ich während der Reise las: Ilija Trojanow - Der Sadhu an der Teufelswand mit gesammelten Reportagen aus einem anderen Indien. Neben der Philosophie des Straßenverkehrs (Ich hupe, also bin ich) hilft dieses Buch mit seinen Episoden über Feste, Natur, Reisen und Kultur, Bombay und Kalkutta, Indien in seiner Vielfalt und in einem ganzheitlichen Spektrum zu betrachten und nicht nur die negativen Stereotype zu vorschnell oder vorurteilhaft zu übernehmen. Die Slums in den Großstädten zum Beispiel oder das Verkehrschaos sind dabei nicht lediglich als eine Ansammlung von Armut, Elend und Gestank zu sehen, sondern vor allem auch als eine von der Regierung für ihre Bürger akzeptierte Lebensform! Noch gibt es sie nicht, die besseren Alternativen und jeder betrachtet diese Zustände auf seine eigene Weise. Auch Hollywood hat sich ja mit Slumdog Millionaire dem Thema angenommen und Zyniker aus der indischen Comedyszene skandieren man solle ruhig noch weitere Slums bauen oder sich entwickeln lassen, wenn dafür sogar schon Oscars verliehen werden...

Mittwoch, 18. März 2009

Zwei Riesen in Namchi

o_namchi
Zwischen Gangtok und Kalimpong liegt Namchi - ein Ort, an den es bisher vor allem buddhistische Pilger zieht. Ein Grund dafür ist die 45 m hohe Statue des Heiligen Padmasambhava, auch als Guru Rinpoche bekannt, auf dem Samdruptse-Berg. Und als ob eine riesige Statue nicht genug wäre, ist man gerade dabei, auch dem Hinduismus einen Tribut zu zollen: Ein paar Kilometer weiter soll in sechs Monaten eine 33 m hohe Shiva-Statue auf dem Solophok-Berg fertiggesetllt sein. Was bis jetzt davon zu sehen ist, ist ganz schön beeindruckend.

Kalimpong

p_kalimpong
Unsere letzte station im Norden ist Kalimpong. Hier verbringen wir zwei geruhsame Tage in einem Hotel, das die Zimmer als kleine Cottages auf dem Grundstück, auf dem auch Orchideen gezüchtet werden, verteilt hat. Es ist ruhig und grün, was wir sehr genießen. Kalimpong selbst ist ein sympathisches örtchen, in dem wir einen Tempel und den Markt besuchen. Ganz unverhofft und durch einen glücklichen Zufall entdecken wir dann sogar noch einen bildhübschen Mini-Park, in dem vor allem junge Leute sitzen und sich unterhalten. Er ist liebevoll angelegt und hat sicherlich auch eine tolle Aussicht auf das umliegende Bergpanorama, aber darüber können wir ja, wie ihr wisst, nichts sagen, weil wir davon nichts sehen.

Sonntag, 15. März 2009

Jeep-Fahrt von Darjeeling nach Gangtok - Shake it!

Infrastruktur. Straßen, die Schlagadern einer Zivilisation, das Rückgrad der Wirtschaft. Ich weiß. Ich wusste es auch vorher. Aber ich habe es erst jetzt verstanden.

Wer sich von Darjeeling weiter gen Nordosten bewegt, betritt unweigerlich den Bundesstaat Sikkim, für den wir als Ausländer eine Genehmigung brauchen. Die haben wir uns bereits in Siliguri organisiert. Das gängigste Fortbewegungsmittel hier sind Jeeps. Geteilte Jeeps. Elf Fahrgäste, ein Fahrer. Meist sitzen vorne neben dem Fahrer drei Leute und in den zwei Bänken dahinter jeweils vier. Kofferraum braucht man nicht, es gibt ja das Dach.

Wir glaubten uns schlau und kauften die ersten drei Sitze neben dem Fahrer, um sicherzugehen, die fünfstündige Fahrt mit allen Körperteilen unbeschädigt zu überstehen. Der Plan ging nicht auf, es war ein anderes Jeepmodell, das nur zwei (indische) Hinterteile neben dem Fahrer vorsah, was für uns zu eng war, zumal der Fahrer dann immer zwischen Daniels Beinen kuppeln musste. Aber der Straßengott hatte ein Einsehen und sorgte dafür, dass der Jeep nicht ausgebucht war und trotzdem fuhr. So wechselten wir auf die hinterste Bank, wo wir fortan als menschliche Gummibälle unser Dasein fristeten.

Als das Auto aus der Parklücke geschoben werden musste, weil es nicht allein ansprang, schwante mir Böses. Der Fahrer jedoch fuhr ganz gelassen in den nächsten Dörfern die Autoreparateure an, bis einer das passende Ersatzteil hatte und es in einer Fünf-Minuten-Aktion einbaute.

95 km, 4,5 Stunden. Shake it, baby. Wenn wir nicht von den Schlaglöchern erschüttert wurden, waren es die Schwellen, die für langsames Fahren sorgen sollen. Auf dem ersten Drittel der Fahrt war die Straßenqualität unsäglich. Dass wir immer am Abgrund entlang fuhren, machte es nicht angenehmer. Entgegen kommende Autos wurden von unserer Existenz durch ein Hupen benachrichtigt. Das zweite Drittel war fast malerisch. Entlang des Teesta-Flusses, der grün-blau, sauber und erfrischend aussah und in einem weißen Steinbett fließt, führte die Fahrt auf mittlerweile recht ordentlichen, aber sehr schmalen, einspurig anmutenden Straßen. Die bessere Qualität erlaubte allerdings auch ein höheres Tempo, was zu erneuten Angstschüben unsererseits führte. Die Mitfahrenden waren alle tiefenentspannt, schliefen sogar teilweise trotz der ständigen Erschütterungen. Der Fahrer seinerseits hatte keine Probleme, neben der Straße und den entgegen kommenden Autos auch noch die ständigen Anrufe seiner nörgelnden Frau entgegen zu nehmen.

Das letzte Drittel der Fahrt war dann im Dunkeln. Eigentlich gut, denn die Lichter der entgegen kommenden Autos sieht man ja sehr gut. Und den Abgrund, in den man fahren könnte, sieht man nicht mehr so deutlich.

Jetzt sind wir also heil in Gangtok angekommen. Diese Stadt ist wie Darjeeling an den Berg geklebt, das heißt, sehr steile, sehr dünne Straßen. Die Aussicht soll auch hier sensationell sein, von der wir auch hier NICHTS mitbekommen. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint - aber um uns herum ist nur dichter, weißer Nebel. Die Bergketten dahinter sind sicher toll. Wenn es sie überhaupt gibt. Wer weiß das schon.
n_gangtok

Donnerstag, 12. März 2009

In Darjeeling

Die Heimat des guten Tees. Da sind wir nun also endlich. Was hatte ich mir von diesem Ort alles erhofft. Ruhe, Grün, Natur, sensationelle Aussichten, Bergpanorama. Ich sage euch: NICHTS davon hat sich erfüllt. Gott, was bin ich enttäuscht. Darjeeling ist genau so ein wuseliger Ort wie überall sonst in Indien, es liegt genauso viel Dreck herum, die Häuser sind genauso viel oder wenig heruntergekommen, der Verkehr ist genauso chaotisch, die Hupe genauso geliebt. Menno! Und von der Aussicht kriegen wir nix mit, weil dicke Nebel alle Berge um uns verhängen. Auch die Morgen-Aktion (um vier Uhr morgens auf den Tigerhill) war völlig für die Füße, die Sonne war irgendwann einfach da. Nix mit rot, nix mit traumhaft, nix mit Berge getaucht in Gold.
w-tigerhill

Außerdem bin ich jetzt doch ein bisschen krank. Magen verrenkt, endlich. Nicht so schlimm, aber nervig. Bin also etwas geschwächt und habe zudem zum ersten Mal seit vielleicht zwanzig Jahren Nasenbluten. Ist wohl die Höhe (2134 m).

Tee trinken wir hier viel, ist ganz lecker. Ein paar Cafes gibt es auch, in denen wir auch mal ne Pizza probieren (was wir lieber hätten sein lassen sollen). Während das hochangepriesene Zimmer in Kurseong 2.500 Rupien (gute 40 Euro) gekostet hat, zahlen wir hier 550. In der zweiten Nacht werde ich zwar von einem Bettfloh geplagt, aber sonst ist das Zimmer tadellos und die Dusche tausendmal besser als im Cochrane Place.

Auffällig an diesem Ort ist noch, dass sich hier deutlich die Rassen mixen. China resp. Tibet liegen sehr nahe. So lassen uns Frauen mit chinesischen Gesichtszügen, aber gehüllt in einen Sari, nur auf den ersten Blick stutzen.

Auch zwei Tempel besuchen wir - hier die Bilder davon.
w-tempel


Einen Zoo gibt es hier ebenfalls, wo wir einen schlafenden Bären und einen gähnenden Tiger gesehen haben. Im Gegensatz zu China, wo selbst ich als Nicht-Tier-Freundin mit Tränen in den Augen aus den Zoos gegangen bin, scheint es den Tieren zumindest in diesem Zoo in Darjeeling recht gut zu gehen.
w-zoo

Vorwärts in die Vergangenheit, Logbucheintrag 1. Offizier Daniel P.

w-zugfahrt

Die Zeitmaschine hierfür scheint die Darjeeling Himalayan Railway zu sein. Kraxeln, kriechen, klettern, schleichen, auf geht's, Meter für Meter von Kurseong (1458 m) aufwärts nach Darjeeling (2134 m), man könnte mühelos nebenher joggen... auf alle Fälle ist es auch eine Wiederentdeckung der Langsamkeit, eine Rückkatapultierung um mindestens ein Jahrhundert zurück, damals wie heute, es fahren immer noch dieselben Züge oder sollte ich lieber Bummelbahnen sagen? Es sind jedenfalls keine Bimmelbahnen, eher Hupbahnen, die dem Autoverkehr hier in nichts nachstehen.

Die Sensation dieses Weltkulturerbes ist, dass wohl auch nichts anderes (sprich moderneres) hierher und in diese Gebirgslandschaft passen würde.

Schon beim Ticketkauf wird klar, dass es Unterschiede gibt, an die unsere Fahrgastbehandlungen nicht heranreichen, 1. Klasse fahren kostet gleich das Zehnfache eines Normaltickets und bietet dabei lediglich den Komfort eines Sessels mit Lehnen und ein wenig mehr Beinfreiheit als die für Asiaten konzipierten Normalplätze aus hartem Plastik. Letztendlich würde ich bzgl. der Gesamtgröße dieser Züge dennoch nicht von Spielzeugbahnen sprechen wollen. Wir werden schließlich wie in einem Flugzeug auch mit unserem kompletten Gepäck befördert und mit uns einiges andere mehr.

Grosse Hochachtung überkommt mich daher, was diese Dinger für eine Beförderungsleistung auf dem Buckel haben und Tag für Tag weiter ihre Dienste tun. Respekt nochmals! Auch vor den Menschen die an den Haltestellen unserer Bahnfahrt auf uns warten, um uns ihre Waren zu preisen, gegen den Durst, den Hunger oder die Langeweile und um damit ihren eigenen Lebensunterhalt und ihre Existenz zu bestreiten.
Von w-zugfahrt

So beiße ich nun in den für knapp 10 Cents (6 Rupien) erworbenen Maiskolben, salzig-sauer der Geschmack und auch das Feuer schmecke ich, lehne mich in meinem in die Jahre gekommenen Sessel zurück und bin mir sicher, so hat das Leben hier wohl zu schmecken!

Gastbeitrag von Daniel P., meine Frau Daniela sitzt nur zwei Plätze weiter im selben Internetcafe!

Mittwoch, 11. März 2009

Steiniger Weg ins vermeintliche Paradies

Wer der Hitze, dem Lärm, dem Verkehr und den vielen Menschen Kolkatas entfliehen will, tut dies meist in die "nahegelegenen" Berge in der Gegend um Darjeeling. Kühles Grün, kleine Dörfer, Ruhe, gute Luft, Teeplantagen - das klingt wie im Paradies nach vier staubigen Wochen Indien. Doch der Weg dahin ist lang: Der Zug braucht für die 600 km 11 Stunden, die wir aber größtenteils schlafend verbringen. Der Zugwagon ist angefüllt mit Liegen, von denen sich jeweils acht anschauen: Zweimal drei und einmal zwei Betten übereinander. Wir fahren in enger Gemeinschaft mit einer 16köpfigen Familie, die in Siliguri den Sohn verheiraten wollen. Liebesheirat, wie mir der ältere Cousin augenzwinkernd erzählt. Er selbst ist Banker und fragt mich auch gleich nach meinen Geldanlagen in diesen Zeiten. Es ist eine freundliche Familie und wir schlafen nach ein paar Stunden auch alle einträchtig ein. Das ein oder andere Schnarchen stört fast niemand.

In Siliguri angekommen bringt uns ein TukTuk samt Gepäck nach New Jalpaiguri. Von dort geht es im Bus weitere vier Stunden in die Berge. Die Sitze sind sehr sehr eng - sagen wir es deutlich: Daniel und ich passen nicht zusammen auf die für zwei Personen gedachte Sitzbank. Getrennt und in Kombination mit einem Inder jedoch können wir dann doch mitfahren. Am Busbahnhof wird uns noch ein köstlicher Salat angeboten: Der junge Mann hat in seinem Brustkorb säuberlich geschnittene Gurken, Tomaten, Kartoffeln, Kräuter, Zwiebeln - er vermischt alles in einem Becher, würzt sehr scharf mit Masala und Limone und serviert es auf einem Stück Hochglanzmagazin mit zwei Löffeln, die aus einer Anzeige der Airlines Emirates gezimmert sind. Sensationell!

Die Fahrt zieht sich. Die Straße ist schmal und immer eng am Abgrund entlang. Aber wir halten durch, schließlich ruft das Paradies.

Kurseong liegt auf halber Strecke nach Darjeeling, dort übernachten wir in einem kolonialen Hotel, was uns so angepriesen worden war, dass die Realität fast keine Wahl hatte, als zu enttäuschen. Hier ein paar Bilder – ja gut, es ist schon ganz schön.
l_kurseong
Außerdem gibt es kein Huhn, was die Speisekarte um 80% auf Kartoffeln und Salat reduziert. Naja, is ja nur für eine Nacht. Morgen wartet auf uns der Toy-Train.

Montag, 9. März 2009

Kino in Indien

Es ist nicht immer alles ganz leicht in Indien und gerade als Deutsche stoße ich hier schon das ein oder andere Mal an meine Grenzen. Es ist so laut, so heiß, so viel Verkehr und vieles dauert einfach soooo lang. Als Oase für mich habe ich das Kino entdeckt, das ist nämlich fast so "wie bei uns daheim". :) Nein, im Ernst, es ist echt toll. Es ist kühl (fast sogar zu kalt, ich friere jedenfalls immer), ruhig und angenehm. Ich war bereits viermal im Kino (Slumdog Millionaire, Benjamin Button, Eagle Eye, Slumdog Millionaire). So verzweifelt, dass ich mir auch Pink Panther2 anschauen musste, war ich noch nicht. :)

Vor Betreten des Kinos wird man durchsucht, ob man nicht eigene Getränke oder Essen dabei hat (natürlich nur zu meiner eigenen Sicherheit). Dann kann man sich mit selbigen eindecken. Aber nicht so schwachsinnig wie bei uns: Nachos und Popcorn, also die Snacks, die am meisten Krach beim Essen machen. Wer auf diese Idee gekommen ist....In Indien jedenfalls gibt es natürlich auch Popcorn, aber es gibt auch sehr viel leises Essen: Eiscreme, Sandwiches, Burger und vor allem: Mais. Ich liebe Mais. Hier kann man ihn in kleinen Bechern kaufen, schon vom Körper abgelöst, gedämpft und dann nach Belieben frisch gewürzt, also zb mit Limone und Butter und Salz. Mjam! Schon allein deshalb lohnt sich der Kinobesuch. :)

Natürlich werden wir auch immer auf Waffen untersucht, aber die Auswahlkriterien, was erlaubt ist und was nicht, sind nicht immer ganz transparent. So musste ich einmal die Batterien von meiner Foto-Kamera draußen lassen. Auch die Wasserflasche musste ich in einem Kino abgeben, in einem anderen wurde nur die Banderole abgenommen, aber die Flasche samt Inhalt durfte ich mitreinnehmen. Als ich mit Daniel im Kino war, wurde natürlich auch seine Tasche untersucht, in der als geübter Abenteurer selbstverständlich ein Schweizer Taschenmesser hatte. Der Sicherheitsmensch fragte dann auch, was das denn sei und Daniel sagte: „Ein Messer“ – und durfte es mit ins Kino nehmen.

Vor dem Film gibt es nur ein oder zwei Werbespots, ebenfalls sehr angenehm. Dann wird ein kopiertes Zertifikat eingeblendet, das einem versichert, dass man nun einen echten, ehrlich erworbenen Film zu sehen bekommt und nicht etwa eine Kopie. Ganz in unserem Sinne. Die meisten Inder scheinen die letzten fünf Reihen zu lieben, dort ist immer alles proppevoll. Mein Lieblingsplatz Mitte-Mitte ist billiger und immer frei. Der Film selbst wird kurz in der Mitte unterbrochen, damit man sich wieder mit Mais und Eis versorgen kann, aber echt nur kurz! Vielleicht ein oder zwei Minuten, also ranhalten!

Freitag, 6. März 2009

Echte Liebesgeschichten, nur geänderte Namen

Rahul und Sadhu gehen zusammen aufs College und sind ineinander verliebt. Mehrere Jahre gehen ins Land, beide sind glücklich. Eines Tages verschwindet Sadhu ohne ein Wort, Rahul hat keine Möglichkeit, sie zu finden. Zwei Jahre später meldet sie sich bei ihm, sie ist verheiratet und hat ein Kind. Die Ehe läuft nicht gut, sie denkt an Scheidung. Rahul, der bisher ungebunden geblieben war, überlegt, sie nach der Scheidung zu heiraten (ein an sich schon sehr revolutionärer Gedanke hier). Aber er rennt gegen uneinnehmbare Wände bei seinen Eltern und Freunde. Er kämpft dafür, aber sie lassen es nicht zu. Letzten Endes heiratet er eine völlig fremde Frau in einer arrangierten Heirat. Er hat sie nie vorher gesehen. Ob er sie liebt? "Sie ist sehr nett zu mir und kümmert sich sehr gut um mich. Ich mag sie sehr gerne - aber lieben, nein, ich liebe sie nicht. In meinem Herz ist immer noch meine erste Liebe."

Sunder hat keine Probleme mit Frauen. Schon früh hat er weibliche Freunde, mit denen er gut zurecht kommt, die er mag und denen er vertraut. Aber er wartet lange mit einer Heirat und als er sich letztendlich zu einer solchen entschließt, besteht er auf einer arrangierten. Er möchte, dass seine Familie die Braut auswählt. Sie soll jemand völlig fremdes für ihn sein, nur etwas künstlerisches sollte sie machen. Weil er bereits Künstler in der Familie hat und diesen Schlag Mensch interessant findet. Seine Familie schlägt mit Hilfe einer professionellen Vermittlerin eine junge Frau vor, die beiden treffen sich, unterhalten sich, finden sich sympathisch. Sunder fragt sie, ob sie ihn auch mögen könnten und sich eine Ehe vorstellen kann. Sie sagt ja. Zwei Monate später findet die Riesenhochzeit statt, 1000 Gäste sind geladen. In ein paar Wochen wird Sunder Vater. Er ist sehr glücklich mit seiner Frau, sie passen gut zusammen und er mag es, sie zu verwöhnen. Während ein paar seiner Freunde mit ihren Freundinnen bereits vor der Heirat Kontakt haben und sich morgens beim Aufstehen anrufen, dann beim Frühstücken, dann auf dem Weg zur Arbeit, dann in der Teepause, dann nach dem Mittagessen, dann in der Teepause, sich dann nach Feierabend kurz sehen und abends nochmal kurz telefonieren. Wenn solche Pärchen dann heiraten, sei es mit der Romantik vorbei. Sunder hingegen kann mit seiner "frischen" Frau ganz von vorne anfangen, er kann sie ausführen, verwöhnen und das volle Romantik-Programm durchziehen. Und es läuft richtig gut.

Ajoy ist ein junger aufgeklärter Mann. Er macht sich um die Umwelt in Indien Gedanken und über den Verbrauch von Plastiktüten, der hier noch ohne Rand und Band praktiziert wird. Er ist seit sieben Jahren mit seiner Freundin zusammen, die er auch eines Tages heiraten wird. Warum noch nicht jetzt? Weil sie aus einer guten Familie stammt und einen hohen Lebensstandard gewohnt ist. Er sieht es als seine Aufgabe an, ihr diesen Standard mindestens auch bieten zu können - und daran arbeitet er. Eine Mitgift würde er niemals akzeptieren, schließlich wäre es kein Geld, dass er verdient hat, sondern jemand anderes und er würde sich sehr schlecht fühlen, wenn er sich daran bereichern würde. So arbeitet er fleißig und bildet sich weiter, bis er meint, seiner Angebetenen würdig zu sein.

Essen auf der Straße


Es wird Zeit, diesem Thema einen eigenen Artikel zu widmen. Ich bin ein großer Fan der kleinen Köstlichkeiten, die man hier überall kaufen kann. Hier eine Selektion:
- Tee und Kekse: Gläser mit diversen Kekssorten sind ein gutes Indiz, dass man an diesem Stand auch leckeren, würzigen, süßen, heißen, schwarzen Tee mit Milch bekommt.
- Obst und Gemüse: Dekorativ auf ein paar Bananenblättern angerichtet schneiden die Verkäufer ihr Obst in mundgerechte Stücke, mischen sie zu einer guten Kombination, streuen etwas Massala (Gewürzmischung, ja, salzig!) darauf und verkaufen die Portion für 10 Rupien (16 Cent). Enthalten sind meist: Äpfel, Bananen, Papaya, Gurke, Karotte, eine Kohlrabi-Art, manchmal Ananas und Trauben. Diese Stände kann man ob ihrer Farbenpracht nicht übersehen - aber auch die Nase erkennt sie. Denn die Verkäufer verbrennen meist jede Menge Räucherwerk, so dass es um sie herum wie in einem Tempel riecht. Ich nehme an, das soll die Fliegen vertreiben.
- Diverse salzige Mahlzeiten: Kleine salzige Kringel (gereicht mit dreierlei Sauce), die auch bei uns bekannten Samosas, salzige Pfannkuchen mit Zwiebeln oder anderem Gemüse, ganze Mahlzeiten mit Naan-Brot, chinesische Nudelgerichte - die Variationen an Möglichkeiten sind unendlich. Ich habe noch nicht alle probiert, aber was ich bisher kostete, war köstlich.
- Wasserkugeln: Das bisher bizarrste Streetfood-Erlebnis. Wollte mir Sumit zeigen, als etwas typisch indisches. Es nennt sich Putschka. Die Verkäufer haben einen Berg mit hohlen Teigkugeln in ihrer Vitrine. Diese bestehen aus irgendeiner knusprigen (!) Teigart, vielleicht vergleichbar mit dünnem Mürbeteig. Diese Kugel wird dann mit dem Daumen aufgebrochen und der Verkäufer füllt sie mit ein paar Kartoffelbrocken und KALTER Brühe. Man steh daneben und wird sozusagen stückweise von ihm gefüttert. Naja, essen muss man selbst, aber man kauft zb fünf stück und er bereitet den nächsten Bissen erst zu, wenn man aufgekaut hat, weil es sonst ja total durchweichen würde. Es ist ein sehr seltsames Essgefühl, glaubt es mir.
- Die Süßholzraspler: Zuckerrohrstangen werden auf einer sehr antiken Maschinen ausgepresst und der Saft dann als Stärkung verkauft. Gleiches geht auch mit einer Zitrusfrucht. Diese wird nicht wie bei uns ausgepresst, sondern geschält und durch den Fleischwolf gejagt.